Was Sie hier erwartet

Auf dieser Seite möchten wir Sie teilhaben lassen

  • an Begebenheiten, die wir auf unseren Touren erlebten,
  • an Erfahrungen und Gedanken, an die uns unsere Fahrgäste teilhaben ließen.

Sie können so verstehen, warum die Rikscha-Ausfahrten für Fahrgäste, aber auch für uns Piloten und Pilotinnen ein Gewinn sind.

Ulla M. und die Demo

Eine unserer Rikschas trägt den Namen "ulla-mobil". Namensgeberin ist Ulla M., eine über 90 Jahre alte Seniorin. Trotz zahlreicher Einschränkungen nahm Ulla neugierig am Weltgeschehen teil und bezog abwägend Stellung. Mit ihrer Lebensfreude - kein bisschen "lebenssatt" - wirkte sie ansteckend nicht nur auf ihre Mitfahrerin, sondern auch auf uns, die wir die Freude hatten, ihr mit unserer Rikscha zu mehr Mobilität zu verhelfen.
Eines der Themen, über die während der Fahrt gesprochen wurde, war die Planung weiterer Kiesabbaugebiete am Niederrhein. Ulla bezog dazu abwägend und dann aber klar Stellung. Als die Sprache auf die beabsichtigte Demonstration gegen den Kiesabbau kam, war für Ulla die Sache klar: da möchte ich mitmachen, zur meiner ersten Demo wird es nun auch langsam Zeit! Auch andere Seniorinnen und Senioren waren dieser Meinung.
Und so kam es, dass wir an einem verregneten Tag im März 2021 gemeinsam mit diesen Menschen auf einigen Rikschas unser demokratisches Recht auf Meinungsäußerung wahrgenommen haben.

Zur Erinnerung an Ulla, die leider 2022 starb, entstand ein ihr gewidmeter Rikscha-Song, den Sie hier finden, ausdrucken und - wenn Sie möchten - mit Hilfe des Play-Back und der darin hörbaren Melodieführung singen können.

Willi Ehrmann


Rikscha - Song (für Ulla M.)

1. Wer von uns hat es nicht schon mal er-lebt:
den Kopf frei krie-gen, wenn es gar nicht mehr geht,
da-zu im Wald spa-zie-ren, Fahr-rad fahr´n,

mit Leu-ten quat-schen und den Wind in den Haar´n?

Refrain:
I`m a pas-sen-ger, I´m a pas-sen-ger von Ra-deln oh-ne Al-ter,
voll Zu-frie-den-heit, weil eig´-ner Zeit-ge-stal-ter.
Der Ein-sam-keit will ich in der Rik-scha ent-geh´n,
werd´ Men-schen und Land-schaft mit gro-ßer Freu-de seh´n.
I´m a pas-sen-ger I´m a pas-sen-ger, la la la la la la

2. Ei-gent-lich fällt mir das Ge-hen ziem-lich schwer.
Mein Ak-tions-raum macht des-halb nicht mehr viel her.
Mit der Rik-scha fah-re ich durch Neu-kir-chen - Vluyn.
Als Fahr-gast brauch ich mich da-zu nicht son-der-lich be-müh´n.

Refrain: I´m a …

3. Freut mich, dass beim Rik-scha-fahr´n Be-zieh-ung ent-steht.
Leb´n-ge-schich-ten teil´n, weil´s um Teil-ha-be geht,

um Er-in-ner-ung um Nä-he, um Ge- mein-sam-keit.
Mensch, zur er-sten De-mo wird es nun auch lang-sam Zeit !

Refrain: I´m a …

(W.Ehrmann)

Rikscha-Song (für Ulla M.)

Frau W. mit Rikscha-Impressionen

Rikscha-Fahrten rufen bei den Fahrgästen ganz unterschiedliche Reaktionen hervor: manche genießen still, andere haben viel zu erzählen - aus der Vergangenheit oder ihre Sicht der Dinge zu aktuellen Entwicklungen.
Im Sommer 2020 waren zwei Damen unterwegs: die eine  - Frau S. - machte sich und uns die Freude, während der Fahrt eine Mundharmonika auszupacken und mit volkstümlichen Weisen für "Bordmusik" zu sorgen.
Die andere - Frau W. - war während der Fahrt eher zurückhaltend und still. So freute uns besonders, dass auch sie durch die Übersendung von schriftlichen Gedanken zur Fahrt ihre Freude an der Rikscha-Fahrt zum Ausdruck brachte.
Unten sehen Sie einen Auszug aus dem Niedergeschriebenen.

Willi Ehrmann

 

Rikscha-Gedicht (Auszug) der Frau W.

Wat sin denn dat für Karren?

Wir waren an einem schönen Tag mit 2 unserer Rikschas und 2 Eheleuten auf der von Theo neu ausgetüftelten Tour durch den relativ neuen angelegten südlichen Teil des Moerser Stadtgartens unterwegs. Wir waren auf der Straße Kastell auf dem Weg zu einer behindertengerechten Toilettenanlage neben dem Grafschafter Wirtshaus, als eine Mutter mit ihren beiden Kindern im Grundschulaltern auf uns zuliefen. Während in Neukirchen-Vluyn unsere Rikschas schon zum Stadtbild gehören, weiß in Moers wohl noch nicht jeder, dass wir mit Rikschas unterwegs sind. Auf die Frage der Mutter „Wat sin denn dat für Karren?“ antwortet der Sohn spontan: „Das sind Strandkörbe auf Rädern.“ Die Antwort hat mir so gut gefallen, dass ich dieses „Bild“ selbst immer wieder gerne benutze, wenn ich Fremden von unseren Rikscha-Touren berichte.

Jürgen Meier

Herzlich Willkommen

Samstags machen wir mit Bewohnenden des Willy-Koenen-Seniorenzentrums Rikscha-Ausflüge. Weil samstags im Ortsteil Neukirchen Markt -Tag ist, kamen wir auf die Idee, gelegentlich mit den Rikschas über den Markt zu "schlendern".

Natürlich ist während der Marktzeit dort einiges los. Aber die Besucher machten uns freundlich Platz und die Schlange vor dem Metzgerstand sorgte für eine "Durchfahrlücke". Wir waren mittendrin und willkommen, das spürten wir - für unsere Fahrgäste ein Erlebnis, das sie schon lange nicht mehr hatten. Als wir an einem Blumenstand vorbei führen, fand das "Willkommen" einen spür- und riechbaren Ausdruck: Jeder Fahrgast würde spontan mit einer Rose beschenkt - ein wunderbarer Moment! Gern werden wir dieses Erlebnis wiederholen.

Glücksmomente

 

 

 

Heute habe ich einen Ausflug mit meinem Vater, meiner Freundin Dani und ihrem Sohn Bruno gemacht. Vater und Bruno in der Rikscha, Dani mit dem Fahrrad und ich war die Pilotin. Los ging es bei sonnigem Wetter durch die Felder. Ziel unserer Fahrt war der Moerser Schlosspark. Ein kleines Picknick gab es am Moersbach dann ging es weiter vorbei am Streichelzoo zum heimlichen Hauptziel, das Eis bei Wilbers. Mmmmhh super lecker. Auf dem Rückweg gab es noch das Schloss zu sehen. Zum Ende der Tour wurde es dann noch ein bisschen knapp. Der Himmel wurde immer dunkler. Bei den ersten Tropfen erreichten wir unseren Schlusspunkt. Inzwischen schüttete es wie aus Eimern, aber alle waren glücklich, satt und freuten sich über die tolle Radtour die wir alle gemeinsam Dank der Rikscha machen konnten. In manchmal nicht so leichten Zeiten hat mich dieses Erlebnis mit lieben Menschen sehr glücklich gemacht.
Jenny

Zum Geburtstag viel Glück...

Am 08.06.23 durfte ich zwei Schwestern an ihrem "140ten" Geburtstag fahren. Dem Wunsch entsprechend ging es zum KALISTO- Tierpark nach Kamp-Lintfort. Bei schönstem Sonnenschein, wenig Verkehr und guter Laune machten wir uns auf den Weg. Allerdings mussten wir eine nicht erwartete Hürde nehmen: der Weg links der Halde auf die Norddeutschlandstraße wurde durch eine Schranke versperrt.

Die Rikscha passte leider auch nicht ohne weiteres durch den Weg zwischen Findling und Schranke. Was tun? Aber durch die Hilfe zweier netter Fahrradfahrer konnten wir die Chat ohne Fahrgäste durch dieses Hindernis bugsieren.

Danach erreichten wir den Streichelzoo und die beiden Damen konnten sich in Ruhe den Tieren widmen. Anschließend haben wir noch eine Flasche Sekt (natürlich ohne Alkohol) im KALISTO geleert. Die hatte ich vorsorglich gekühlt "an Bord" aufgrund des besonderen Ereignisses. Die beiden Geburtstagskinder haben sich sehr gefreut und anschließend ging es zurück nach Vluyn. Diesmal aber auf längerer Strecke durch die schöne Dong und ohne Probleme.       Karla

🥂

die kleinen Dinge…

Während einer Tour kam das Thema auf die Beobachtung, dass heutzutage viele Menschen ein „event“ nach dem anderen brauchen, um das Leben erfüllend zu empfinden. Und Gerda begann zu erzählen:

Etwa einen Kilometer entfernt am südlichen Rand des Ortsteils Neukirchen gibt es die „Waldschänke“. In den 60er-Jahren - vor dem Bau der Autobahn nach Venlo - war die Waldschänke ein beliebtes kleines Ausflugslokal. Vor allem sonntags zeugten unzählige Fahrräder von dem regen Besuch.
Montags war für meinen Vater dort Skatnachmittag. Und wir Kinder durften mit. Denn während Erich, der Wirt, in zurückhaltender Art die Gäste mit Getränke versorgte, fand man seine Frau Inge in der Küche bei der Zubereitung der Speisen. Und das war unser Glück. Denn - kinderlos geblieben - hatte Inge ein großes Herz für uns Kleinen. In der Küche stand ein schweres Sofa, wohl, um Inge zwischendurch eine Ruhepause zu ermöglichen. Für uns war dieses Möbel jedoch ein Spielgerät, auf dem wir mit Inges Segen nach Herzenslust toben durften.

Die Speisekarte von Inge war übersichtlich:
Kartoffelsalat mit Würstchen
Kartoffelsalat mit Frikadelle
Kartoffelsalat mit Schnitzel
Das war‘s, aber den Gästen war es genug.


Sind es nicht oft die kleinen kleinen Dinge, die unser Glück ausmachen? schloß Gerda ihre Erzählung.

 

....sinnvoll? Sinnvoll!

Herbst 2023: Seit nunmehr dreieinhalb Jahren sind wir mit unseren Rikschas unterwegs.Es ist immer wieder schön, die Freude der Fahrgäste an den Ausfahrten zu erleben. Besonders eindrücklich wurde mir das vor wenigen Tagen vor Augen (und Ohren) geführt:

Freitags nachmittags fahren wir immer für eine Einrichtung mit schwer mehrfach behinderten Menschen. T. war den ganzen Tag "schlecht drauf". Dies äußerte sich dadurch, dass der an den Rollstuhle gebundene junge Mann beständig laute unwirsche Lebensäußerungen von sich gab und wilde Körperbewegungen machte. Die Betreuerinnen entschieden dennoch, ihn mir in der Rollstuhl-Rikscha VeloPlus anzuvertrauen: "Vielleicht hilft ja die Fahrt, ihn zu beruhigen."

Das Platzieren auf der Spezial-Rikscha braucht einige Handgriffe mehr, als dies bei anderen Rikschas nötig ist. T. ließ dies beobachtend geschehen. Dann waren wir unterwegs. Ich hatte zunächst eine Runde erwogen, die mehrfach die Möglichkeit zur Abkürzung bietet. Doch als ich ein Lachen hörte und das Ende der unruhigen Körperbewegungen wahrnahm, entschied ich mich um. Und das war richtig: denn die positive Grundstimmung von T. änderte sich während der gesamten einstündigen Ausfahrt nicht mehr.

Ich weiß nicht, ob der positive Effekt der Rikscha-Fahrt an diesem Tag nachwirkte. Auf den Hinweis der Betreuerinnen am kommenden Samstag bin ich sehr gespannt. Aber auch ohne Ausbreitungseffekt: Mir wurde wieder einmal eindrücklich klar, dass unser Ehrenamt sehr sinnvoll verbrachte Zeit ist.

die gute alte Zeit...?

Die ehemals räumlich getrennten Ortsteile Neukirchen und Vluyn sind seit Kurzem auch räumlich zusammengewachsen. Dies ist durch die Wohnraum-Bebauung des Geländes der geschlossenen Zeche "Niederberg" geschehen. Was vor ca 50 Jahren seinen Anfang nahm, als der Rat der damaligen Gemeinde (nicht Stadt) Neukirchen-Vluyn das Schulzentrum zwischen die Ortsteile platzierte, findet nun seine Vollendung. Als besonderes Sinnbild des Zusammenwachsens liegt nun auch das neu erbaute Gelände des aus der "unter Schmerzen" vollzogenen Fusion der Fußball-Vereinen SV Neukirchen 21 und Preußen Vluyn hervorgegangenen FC Neukirchen-Vluyn auf diesem ehemaligen Zechengelände.

Vor allem der Ortsteil Neukirchen ist baulich sehr stark durch das Bergwerk geprägt. So gibt es unter anderem die "alte Kolonie", eine Siedlung, die im Wesentlichen den Angestellten und Untertage-Führungskräften vorbehalten war. Die neue Kolonie dagegen stellte Wohnraum für die allgemeine Arbeiterschaft des Bergwerks zur Verfügung.

Die ursprüngliche Trennung der Ortsteile war auch in den Köpfen vorhanden. Dass dabei auch innerhalb eines Ortsteils differnziert wurde, davon erzählte ein Fahrgast in diesen Tagen: Das leckerste Brot gab nach Auffassung ihrer Eltern bei einem Bäcker in Vluyn. Dazu musste das Mädchen aus der neuen Kolonie mit dem Korb vorn auf dem Rad nach Vluyn. Der Laden war voll. Als das Mädchen schließlich an der Reihe war und seinen Brot-Wunsch vorbrachte, kam eine kurze Antwort: Du bekommst hier kein Brot, du bist aus der Neuen Kolonie!

Derartige Vorurteile gab (und gibt?) es auch in der anderen Richtung. So sprach der "alte" Neukirchener gern von dem "Vluyner Puckel". Und innerhalb des Ortsteiles Neukirchen wurde vom alten Dorfkern ironisch als dem "heiligen" Dorf gesprochen. Aber wenn es derartige Ressentiments heute noch geben sollte: mit dem Wechsel der Generationen gehören sie sicher bald der Vergangenheit an und werden (hoffentlich) nicht durch neue Vorurteile ersetzt.

 

Win, win, win

 

Für die Dreharbeiten des WDR zum Thema: `Welchen Beitrag leistet das Rikscha-Projekt gegen Einsamkeit im Alter?´ hatte ich zwei Seniorinnen , die in den zurückliegenden Monaten sehr schwere Wege zu gehen hatten, in die Rikscha gebeten. Beide war froh über die angebotene Abwechslung. Was im Filmbeitrag aufgrund dessen erforderlicher Kürze nicht sehr deutlich wird: die Damen hatten in den Interviews Tiefgründiges zu sagen. Am meisten aber hat mich beglückt , was am am Schluss der Tour geschah: die beiden drückten sich und eine meinte: 'Ich bin so froh, dass ich dich kennengelernt habe. Wir werden den entstandenen Kontakt nicht abreißen lassen!' -  Die beiden hatten sich vorher noch nicht gesehen. -

Nachtrag: Eine der Seniorinnen berichtete mir, dass sie am Tag nach der Ausstrahlung des WDR-Beitrags zwei Anrufe erhielt. Bei beiden ging es um alte Kontakte, die im Laufe der Zeit eingeschlafen waren. Der TV-Beitrag sorgte für die Rückkehr ins Bewusstsein und die Absicht, einander dauerhaft wieder wahrzunehmen.

Willi Ehrmann